FIDE Online Olympiade 2020

Posted by Sebastian in Saison 19/20 | Kommentare deaktiviert für FIDE Online Olympiade 2020

Die Schacholympiade ist eines der größten Sportevents weltweit – 2018 in Batumi nahmen 184 Mannschaften im Offenen Turnier teil und 149 bei den Frauen – und hätte im August in Moskau stattfinden sollen. Als Alternative rief die FIDE die Online Olympiade ins Leben, die vom 24.Juli bis 30. August mit 163 Nationen über die Bühne geht. Die Teams wurden in fünf Divisionen aufgeteilt, wobei man sich in jeder Division für die nächst höhere qualifizieren kann.
Deutschland spielt in Division 2 vom 14. – 16.August in Pool A um die Qualifikation für die Top-Division (die ersten Drei der zehn Mannschaften kommen weiter). Gespielt wird an sechs Brettern, wobei immer zwei Frauen, ein U20-Spieler und eine U20-Spielerin dabei sein müssen, mit eine Bedenkzeit von 15+5.

Turnierseite
Bericht beim DSB

Deutschland führt nach drei Siegen die Tabelle an. Zum Auftakt wurde Bangladesh mit 4,5:1,5 bezwungen, anschließend behielt man gegen Turkmenistan mit 3,5:2,5 die Oberhand und ließ ein 5:1 gegen die Philippinen folgen.
Auch am zweiten Tag gab es drei Siege: 3,5:2,5 gegen Indonesien, 5:1 gegen Kyrgisien und 3,5:2,5 gegen Weißrussland. Damit liegt man hinter Bulgarien auf Rang zwei.
Turniertag drei startete mit einem 5:1 über Belgien, ehe man gegen Australien den ersten Punkt liegen ließ. Das 3:3 sicherte die Quali für die Top Division, so dass die abschließende 1,5:4,5 Niederlage gegen die verlustpunktfreien Bulgaren keine allzu große Bedeutung mehr hatte.

Die Top Division wird vom 21. – 23. August in vier Zehnergruppen ausgetragen. Die Gruppensieger qualifizieren sich direkt für das Viertelfinale, die Zweit- und Drittplatzierten spielen die restlichen vier Viertelfinalisten aus.

Dem deutschen Team gelang ein Auftakt nach Maß im Pool A der Top Division. Zunächst wurde Indonesien mit 3,5:2,5 niedergerungen, dasselbe Resultat wie in der Division 2. Anschließend ging es gegen die starken Iraner, einem der Hauptkonkurrenten um Platz drei und erneut konnte man sich mit 3,5:2,5 durchsetzen. Zum Abschluss von Tag eins bezwang man die Mongolei mit 4,5:1,5. Damit bildet man zusammen mit den Gruppenfavoriten Indien und China ein verlustpunktfreies Trio an der Spitze.
Am zweiten Turniertag trennte man sich von Georgien 3:3, ehe man Vietnam mit 3,5:2,5 bezwingen konnte. Zum Abschluss gab es eine 1,5:4,5 Niederlage gegen die topgesetzte chinesische Mannschaft. Damit bleibt Deutschland hinter China (12) und Indien (11) mit neun Punkten auf Rang drei. Mit drei Zählern Vorsprung auf den Rest des Feldes sind die Chancen für die Quali zur KO-Runde sehr gut. Herausragend in Form ist dabei GM Rasmus Svane. Nach drei Siegen gestern bezwang er heute auch den Weltklasse-Spieler Baadur Jobava und spielte gegen Liem Le Quang unentschieden. Danach hielt er auch die Partie gegen den Weltranglistendritten Ding Liren remis.
Mit einem glatten 6:0 gegen den Tabellenletzten Simbabwe begann Tag drei für das deutsche Team, ehe das Duell gegen die Top-Mannschaft auf Indien anstand. Aus zwei guten Stellungen konnte man nur einen halben Zähler erzielen und Rasmus Svane musste gegen Vidit Gujrathi riskieren und verlor. Somit stand am Ende eine 1,5:4,5 Niederlage zu Buche. Zum Abschluss hätte nun ein 3:3 gegen Usbekistan zur Qualifikation für die Play-Offs gereicht. Aber die Stellungen versprachen von Anfang an nichts Gutes und man kassierte eine 1,5:4,5 Niederlage. Doch man bekam Schützenhilfe: zwar holte der Iran gegen die Mongolei an den vorderen Brettern 2,5 Punkte, aber hinten gewann die Mongolei alle Partien und rettete dem deutschen Team damit Rang drei. Gruppensieger wurde Indien, die in der letzten Runde dank Erfolgen an den beiden Jugendbrettern China in Bestbesetzung (mit Ding Liren, Wei Yi, Hou Yifan und Ju Wenjun) 4:2 besiegen konnten.

Die Playoff-Phase beginnt am 27. August, hier trifft Deutschland auf den Zweitplatzierten aus Pool B Ungarn.

Im Kampf um einen Platz im Viertelfinale musste sich das deutsche Team Ungarn hauchdünn geschlagen geben. Das erste Match verlor man mit 2,5:3,5, doch danach behielt man mit 3,5:2,5 die Oberhand. Somit stand es 1:1 und das Reglement sah nun eine Armageddon-Partie vor. Als Kategorie wurden die Männer ausgelost und Bundestrainer Dorian Rogozenco schickte Dennis Wagner ins Rennen, Ungarn nominierte Tamas Banusz. Dieser musste mit fünf gegen vier Minuten die Partie gewinnen, Wagner reichte ein Remis. In einem dramatischen Finish hatte Wagner zwar die schlechtere Stellung auf dem Brett, aber es sah so aus, als ob er auf Zeit gewinnen würde. Doch dann fiel seine Bedenkzeit, während Banusz noch 0,3 Sekunden auf der Uhr hatte.

Preliminary round:
Griechenland – Armenien 0:2 (1,5:4,5; 2,5:3,5)
Bulgarien – Polen 0:2 (2,5:3,5; 2:4)
Ungarn – Deutschland 2:1 (3,5:2,5; 2,5:3,5; 1:0)
China – Ukraine 1:2 (3:3; 3:3; 0:1)

Überraschend schied China aus. Nachdem man zweimal 3:3 spielte, gewann Jugend-Spieler Kirill Shevchenko für die Ukraine die Armageddon-Partie gegen Liu Yan. Im Leichtfigurenendspiel setzte er solange Nadelstiche bis dem Chinesen die Zeit ausging.

Viertelfinale:
Indien – Armenien 2:0 (3,5:2,5; +:-)
Aserbaidschan – Polen 1:2 (2:4; 4,5:1,5; 0:1)
Russland – Ungarn 1,5:0,5 (5:1; 3:3)
USA – Ukraine 2:0 (4,5:1,5; 4:2)

Russland und die USA wurden ihrer Favoritenrolle gerecht und setzten sich durch. Große Dramen spielten sich dagegen in der Zeitnotphase zwischen Indien und Armenien ab, viele Partien kippten, u.a. stellte Gabriel Sargissian einzügig die Dame ein. Nihal Sarin hatte im Läuferendspiel einen Mehrbauern, der wohl nicht zu verwerten gewesen wäre, aber Haik Martirosyan verlor mit 53 Sekunden auf der Uhr die Verbindung und überschritt die Zeit. Damit gewann Indien 3,5:2,5, doch Armenien legte Protest ein, da ihr Spieler im Video-Call die Verbindung nicht verlor und daher der Fehler auf der Seite des Organisators liegen müsste. Nach rund zwei Stunden wurde der Protest abgelehnt, da von Server-Seite keine Probleme gefunden werden konnten. Daraufhin trat Armenien zum zweiten Match nicht mehr an.
Polen schlug Aserbaidschan in Match eins mit 4:2, verlor dann aber 1,5:4,5, so dass eine Armageddon-Entscheidung notwendig war. Hier hatte Gunay Mammadzada mit Schwarz gegen Monika Socko im Endspiel die bessere Zeit, übersah aber eine einfache Taktik zur Vorentscheidung. Kurz darauf verpasste sie ein wichtiges Springerschach, womit sie den gegnerischen Läufer hätte tauschen können und sah sich danach mit elf gegen sechs Sekunden auf der Uhr in einem unentrinnbaren Mattnetz zappeln.

Halbfinale:
Indien – Polen 2:1 (2:4; 4,5:1,5; 1:0)
Russland – USA 1,5:0,5 (3,5:2,5; 3:3)

Gestern setzte sich Polen im Viertelfinale gegen Aserbaidschan durch, nachdem man das erste Match mit 4:2 gewonnen, danach 1,5:4,5 verloren und letztlich Monika Socko die Armageddon-Partie glücklich gewinnen konnte. Heute gewannen die Polen auch Match eins des Halbfinales gegen Indien mit 4:2. Der Aseri Teimour Radjabov prognostizierte daraufhin im Live-Stream bei Chessbase India denselben Verlauf wie gestern, nur mit umgekehrten Ausgang der Armageddon-Partie. Und was passierte? Indien setzte sich nach einigen Auf und Abs mit 4,5:1,5 durch und erzwang eine Armageddon-Entscheidung. Das Los fiel auf die Frauen-Kategorie und so musste erneut Monika Socko mit Weiß die Partie gewinnen. Ihre Kontrahentin Koneru Humpy spielte sehr solide und gab keine Angriffsfläche. Im Endspiel eroberte sie eine Figur und führte Indien ins Finale. Dort wartet mit Russland einer der beiden Top-Favoriten, die sich knapp gegen die USA durchsetzen konnten.

Finale:
Indien – Russland 1:1 (3:3)

Das große Finale zwischen Indien und Russland wurde zum großen Drama mit überraschendem Ausgang. Im ersten Match war Indien drauf und dran den favorisierten Russen die erste Niederlage im Turnier beizufügen, aber Vidit Gujrathi und insbesonder Koneru Humpy konnten ihren klaren Vorteil nicht verwerten und so endeten alle sechs Partien remis. Der zweite Wettkampf sah Russland leicht in Vorteil: nach drei Remisen standen sie auf zwei Brettern besser, auf einem deutlich schlechter. Als Nihal Sarin die Stellung wieder in Ausgleich gebracht hatte, verlor er die Verbindung, genauso wie seine beiden Teamkolleginnen. Einzig Koneru Humpy fand die Verbindung wieder, an den beiden anderen Brettern lief jedoch die Zeit ab, was die Niederlage besiegelte. Koneru Humpy kämpfte noch lange in schlechter Stellung, verlor letztlich zum 1,5:4,5. Das indische Team bat um Prüfung und bald stellte sich heraus, dass das Content Delivery Network „Cloudflare“ großflächig ausgefallen war, wovon nicht nur Indien, sondern auch weite Teile Europas und der USA betroffen waren. Wie sollte nun entschieden werden? Normalerweise ist jeder Spieler selbst für die Verbindung verantwortlich und wenn man sie verliert und die Zeit läuft ab, hat man halt Pech gehabt. Hier lag aber ein globaler Netzwerk-Ausfall vor, das ist eine andere Hausnummer. Die beiden Partien fortzusetzen ist nicht praktikabel, insbesondere nach über einer Stunde Diskussion. Eine Neuauflage der beiden Partien ist auch nicht des Rätsels Lösung und das komplette Match neu anzusetzen gestaltete sich ebenfalls schwierig, da man weiter damit rechnen musste keine stabile Verbindung zu haben. Das Turnier-Komitee konnte sich zu keiner Entscheidung durchringen, also fällte FIDE-Präsident Arkady Dvorkovich ein Urteil und erklärte beide Mannschaften zu Gewinnern der ersten Online-Olympiade. Witzigerweise hatte Vladimir Kramnik im Live-Stream bei Chessbase India während des ersten Matches auf die Frage wie es denn ausgehe geantwortet, dass er sich wünscht das beide Teams gewinnen, woraufhin er Gelächter erntete…

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