Auch die zweite Runde der Stadtmeisterschaft hatte wieder einiges an Kuriosem,Spannendem und Lehrreichem zu bieten:
Endspiele! – Wolfgang vs. Noah
Diese Partie hatte einiges zu bieten, auch wenn sie erst am Ende durch Noahs unbedingten Willen zur Selbstzerstörung entschieden wurde. Schauen wir auf die Stellung nach dem 17.schwarzen Zug:

Nicht viel los und ziemlich symmetrisch, könnte man hier nach einem kurzen Blick denken. Zwar ist die Aufstellung der Leichtfiguren symmetrisch, aber die Symmetrie der Stellung wird dadurch gebrochen, dass Weiß schon einen Turm auf e1 hat und vor allem dadurch, dass Weiß am Zug ist! Es folgt 18. Le4 Sf6 Lf3. und es wird klar, dass Weiß ein bisschen Druck gegen den Bauern b7 hat und Schwarz eigentlich überhaupt keinen Druck gegen irgendwas. Zwar ist die Stellung nach wie vor ausgeglichen, bietet aber Weiß hat mehr Spaß als Schwarz.
Wir sagen ja immer gerne, Kinder sollten Schachspielen , weil sie dabei lernen müssen, unter Zeitdruck Entscheidungen zu treffen und mit denen dann auch zu leben. Beispiel nach Zug 21:

Schwarz kann den Turm mit drei Figuren wiedernehmen: 21…Lxe1? ist zweifelhaft, weil nach 22.Sf5 der Ld6 angegriffen ist und Sxh6 droht (wegen des Angriffs auf den Sf6). Nach 21…Sxe8 macht der Springer keinen besonders guten Eindruck und auch die Läufer stehen eher passiv rum. 21…Txe8 gibt mit 22.Lxb7 einen Bauern, was nicht unbedingt ein Problem sein muss, wenn man die Chancen im Endspiel mit Minusbauer richtig einschätzt. Noah entschied sich für das Nehmen mit dem Springer und verlor nachher doch noch einen Bauern:

Man mag sich als Schwarzer hier mit Siegbert Tarrasch („Alle Turmendspiele sind Remis!“) zurücklehnern, und tatsächlich hat Schwarz hier gute Remischancen, wenn man weiß wie. Wie mann sich leicht vorstellen kann, wir der Bauer auf b6 gegen den auf c3 abgetauscht und es verbleibt der weiße Freibauer auf der a-Linie. Das führt uns zu folgendem kleinen
Exkurs Turmendspiele
Im Endspiel ist es generell eine gute Idee „vom Ende her“ zu denken, d.h. der Verteidiger sollte sich fragen:“wie kann der Angreifer Fortschritte erzielen, und welche Stellung strebt er an?“.
Gehen wir also zurück zur Stellung von Brunni gegen Noah. Potentiell verbleibt also Wolfgang mit einem Mehrbauern auf der a-Linie. Und wie es ausschaut, bleibt der weiße Turm vor seinem Bauern (Türme gehören immer hinter den Freibauern – egal ob Verteidiger oder Angreifer) und der schwarze Turm kann den weißen König lange von seinem Bauern abschneiden und eine Position hinter dem Bauern einnehmen. Nehmen wir außerdem an, dass die Bauern am Königsflügel abgetauscht werden und verschwinden. Nun gibt es zwei Zielszenarien für den Verteidiger:
1) weißer Turm vor Bauer auf a7
Diese Stellung ist fundamental Remis, solange der schwarze König richtig steht, weil der Turm das Umwandlungsfeld nicht freimachen kann, ohne den Bauern zu verlieren.
2) weißer Turm vor Bauer auf a6
Hier versucht der wK sich auf a7 zu verstecken, wird aber durch Seitenschachs daran gehindert:
Kennt man diese zwei Grundmotive, wird klar, dass Weiß zum Sieg den a-Bauern zur Umwandlung begleiten muss, wie es Karpov oder Korchnoi in den folgenden zwei Partien gezeigt haben:
Wenn man nun noch zwei Pläne des Angreifers kennt, ist man für dieses Endspiel gut gerüstet:
Plan 1: Tauschen des Freibauern
Im folgenden Beispiel bringt Wolfgang Unzicker seinen König sicher vor Schachs nach h6, um den a-Bauern für den g- und h-Bauern zu geben.
Man beachte die Feinheit, dass Weiß nur gewann, weil der schwarze Bauer bereits auf f6 stand.
Plan 2 – Turmtausch für ein gewonnenes Bauernendspiel
Im folgenden Beispiel gelungt es Weiß den Bauern auf a7 für ein gewonnenes Endspiel nach Turmtausch zu opfern. Ein wichtiges Motiv!
Zurück zu Wolfgang gegen Noah. Mit dem hier präsentierten Kurzwissen in Petto, dass es als Verteidiger ratsam ist, den eigenen König sicher zu halten und den angreifenden König abzuschneiden. Schauen wir auf die Stellung 13 Züge später:

Weia! Bei Noah hat offensichtlich die Abteilung Attacke das Kommando übernommen. Das sofortige Ta2 hätte zwar für das Remis gelangt, aber Noahs gieriges Txh2?? verliert nach a7 den Turm und die Partie, weil Schwarz eben kein Patt erzwingen kann, wie erhofft.
Zum Abschluss noch zwei lehrreiche Werke unserer Altmeister Martin und Jozef
Martin vs. Thomas
Die Eröffnung dieser Partie ist Thomas Hummel als Weißem ziemlich misslungen. Das ist nicht zu hart formuliert, wenn man diese Stellung nach Zug 25 anschaut:

Das weiße Pony spielt nicht mit und ist kaum ins Spiel zu bringen. Das weiße Lager hat eklatante Schwächen auf den weißen Feldern und es ist nicht zu sehen, wie Weiß den schwarzen Königsmarsch nach b3 verhindern kann. Einmal dort angekommen, sind die weißen Bauern auf a3 und b2 nicht mehr zu halten. Da lässt sich Martin nicht zweimal bitten:

15 Züge später ist das weiße Rösserl noch kein bisschen weiter gekommen und für die zwei Bauern hat Thomas immerhin seinen Bauern nach d7 vorgestoßen,was aber nur ein schwacher Trost ist. Dreizehn Züge später gab Thomas auf.
Jozef vs. Ivan
Schauen wir in die Stellung nach Ivans Rochade im 20. Zug:

Upps. Sieht so aus, als sei Ivan auf die falsche Seite rochiert, weil eine Öffnung der b-Linie in der Luft liegt. Nun ist Jozef bekanntlich ein Spieler, der Druck aufbauen und dann so lange warten kann bis der Gegner unter dem Druck zusammenbricht. Ivan hielt lange Stand und es war erst in Zug 46 als die Situation eskalierte:

Das Schlagen auf a4 oder b5 liegt in der Luft, will aber genau berechnet sein. Jozef blieb hier cool und zog den ruhigen Zug Kh2! mit der Idee, dass nach Txb5 Dxb5 Sxa4 der Turm auf b1 nicht mit Schach geschlagen werden kann und der Angriff ungehindert weiterrollen kann. So kam es dann auch und in der Schlussstellung ist für Schwarz nichts mehr zu retten:

Paarungen

Die nächste Runde findet am 17.10.2025 statt.